Green Care in der Schweiz soll systematisch gefördert werden
Wenn Bauernfamilien Menschen mit Beeinträchtigungen aufnehmen oder Betreuung auf dem Hof anbieten, wenn sie Kindern eine Tagesstruktur bieten und Seniorinnen und Senioren im Alltag begleiten, dann leisten sie mehr als Landwirtschaft – sie übernehmen soziale Verantwortung. Zahlenmässig ist das soziale Engagement in der Landwirtschaft heute noch eine kleine – aber wachsende – Nische: Im Herbst 2025 nehmen von rund 47 000 Schweizer Bauernhöfen etwas mehr als 1100 Betriebe soziale Verantwortung wahr in Form von konkreten Angeboten für beeinträchtigte oder ältere Leute sowie Kinder und Jugendliche.
Das soziale Engagement von Landwirtinnen und Landwirten, das auch als «Care Farming» oder «Green Care» bezeichnet wird, bietet für pflegebedürftige Menschen ein vertrautes und stabiles Umfeld mit engem Naturbezug und sinnstiftenden Aktivitäten. Studien belegen: Diese niederschwelligen ergänzenden Angebote zu klassischen Institutionen helfen nachweislich dabei, die Integration betroffener Menschen in die Gesellschaft zu stärken.
Und auf den ersten Blick ist es eine Win-win-Situation, denn für die anbietenden Betriebe steigt das Einkommen und die Tätigkeitsdiversifikation. Fachstellen wie Agroscope und AGRIDEA erwarten daher für die kommenden Jahre ein weiteres Wachstum sozialer Angebote auf Bauernhöfen. Denn klar ist: Auch die Nachfrage im Pflege- und Betreuungsbereich wird in naher Zukunft deutlich steigen.
Zertifizierungen ab 2026
Erst in den letzten 15 Jahren kam der Stein beim Care Farming richtig ins Rollen; bis etwa 2010 waren die meisten Angebote noch informell. 2022 wurde der Verband Green Care Schweiz gegründet, der als Dachorganisation soziale Dienstleistungen im ländlichen Umfeld stärkt und Vernetzungsarbeit leistet. Einheitliche Standards für die ganze Schweiz fehlen bisher aber, etwa bei den Qualitätsanforderungen, den Bewilligungen oder der Finanzierung.
Geschichte geschrieben wird jetzt
Mit den Co-Präsidenten Raphaël Mahaim und Alois Huber hat Green Care Schweiz zwei Nationalräte im Vorstand. Im September 2025 haben die beiden ein Postulat im Parlament eingereicht, in dem der Bundesrat beauftragt wird, zu prüfen, wie Green Care in der Schweiz systematisch gefördert und durch eine nationale Strategie unterstützt werden kann. Die Kern-Ziele: Bessere Sichtbarkeit und Vernetzung, finanzielle Sicherheit und faire Entschädigungen der Betriebe sowie Anerkennung durch Sozialversicherungen. Weitere Ziele: Der Aufbau einer Beratungsstelle und die Entwicklung schweizweiter Ausbildungsgänge in allen Landessprachen.
Ob und wann der Bundesrat den geforderten Bericht vorlegt, und wie eingehend darin auf die einzelnen Punkte eingegangen wird, ist zum jetzigen Zeitpunkt noch offen. Unklar ist auch noch, wie stark einzelne Kantone und Sozialversicherungen sich bereit erklären, Care Farming anzuerkennen.
Thema der Woche
Jede Woche erscheint unter dem Projektnamen «Familie Richter» eine neue Episode zu einem landwirtschaftlich geprägten Thema. Alle Beiträge in voller Länge werden jeweils am Dienstagmorgen unter www.naturtalent.ch/familierichter veröffentlicht.