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Familie Richter diskutiert über das Thema Antibiotika

Der Umgang mit Antibiotika bei Menschen und Tier gleich sein

Interviewpartner Roger Stephan
Roger Stephan ist Professor für Tierärztliche Lebensmittelsicherheit und -hygiene sowie Dekan der Vetsuisse-Fakultät der Universität Zürich. Er erforscht, wie sich antibiotikaresistente Bakterien in der Lebensmittelkette verbreiten und welche Risiken sie für Mensch und Tier bergen. Als führender Experte auf diesem Gebiet kann er erklären, wie Resistenzen übertragen werden, welche Massnahmen in der Tierhaltung helfen und was Verbraucher tun können, um sich zu schützen.

Herr Professor Stephan, wie können antibiotikaresistente Bakterien überhaupt vom Tier auf den Menschen übertragen werden? Ist das ein häufiges Problem?  

Das ist bereits zu Beginn eine komplexe Frage. Dies kann durch den direkten Kontakt mit Tieren, über die Umwelt (z.B. Fliessgewässer) und bei Nutztieren zudem direkt oder indirekt über die Lebensmittelkette geschehen. Eine generelle Quantifizierung der Häufigkeit eines solchen Übertrages kann man nicht machen. Das müsste man an konkreten Fallbeispielen basierend auf den Hauptübertragungswegen beschreiben. Der Übertrag ist aber durchaus relevant. 

Werden grundsätzlich bei den Menschen und Tieren identische Antibiotika eingesetzt oder gibt es da unterschiedliche Strategien?  

Es gibt Wirksubstanzen, die sowohl bei Menschen und bei Tier eingesetzt werden (z.B. Penicillin). Allerdings gibt es auch Wirksubstanzen, die von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) als kritisch wichtige Antibiotika eingestuft werden. Diese dürfen als Reserveantibiotika nur, wenn notwendig, beim Menschen nicht aber beim Tier eingesetzt werden.  

Kann man sich durch den Verzehr von tierischen Lebensmitteln mit resistenten Keimen anstecken? Worauf sollte man als Verbraucher besonders achten?  

Ja, es ist möglich, dass man sich über den Verzehr von tierischen Lebensmitteln mit einem resistenten Bakterium infizieren kann und damit krank werden kann. Ich denke da z.B. an Campylobacter, die heute häufig gegen gewisse Antibiotika resistent sind. Auf der anderen Seite, und das ist nicht weniger wichtig, gibt es Bakterien, z.B. Escherichia coli, die als Erreger für den Menschen nicht krankmachend sind. Diese können aber Resistenzmechanismen aufweisen und über die Lebensmittelkette zum Menschen gelangen, wo sie dann im Darm die Resistenzmechanismen auf andere, nicht resistente Bakterien übertragen können. Dies führt dann zu einer weiteren Verbreitung der Resistenzen. Die Einhaltung von Grundhygienemassnahmen im Umgang mit nicht genussfertigen Lebensmitteln (z.B. rohes Fleisch) sind darum wichtig.   

Warum ist der Umgang mit Antibiotika bei Tieren anders als bei Menschen? Und wo gibt es Gemeinsamkeiten?  

Der Umgang mit Antibiotika beim Menschen und beim Tier sollte nicht unterschiedlich sein. Grundsätzlich gilt: Soviel wie nötig, sowenig wie möglich. Wenn es nichts nützt, so schadet es doch! Es werden nämlich anibiotikaresistente Bakterien selektioniert. Darum ist sowohl beim Menschen wie auch beim Tier die umsichtige Verwendung von Antibiotika ein ganz zentraler Aspekt.  

Was bedeutet der Begriff „One Health“ genau, und warum ist es wichtig, Human- und Tiermedizin enger zu verzahnen?  

One Health ist eine transdisziplinäre, ganzheitliche Sicht auf die Gesundheit von Mensch, Tier und Umwelt, und umfasst ein breites Spektrum von Disziplinen. Das zentrale Anliegen liegt dabei darauf, nicht einzelne Bereiche (z.B. den Menschen, das Tier, die Umwelt) für sich alleine und als abgeschlossenes «Silo» zu betrachten, sondern insbesondere auch die Schnittstellen zwischen diesen Bereichen zu beleuchten. Gerade die Antibiotikaresistenzen sind dafür ein sehr gutes Beilspiel, da die Problematik nicht in einem dieser «Silos» alleine gelöst werden kann. In jedem dieser Bereiche Mensch, Tier und Umwelt gibt es Herausforderungen, die angegangen werden müssen. Schlussendlich sind diese drei Bereiche aber direkt oder indirekt miteinander vernetzt. Darum ist hier dieser One Health Ansatz, der die Bereiche als miteinander verzahnt, so zentral.  

Was kann jeder Einzelne tun, um sich vor antibiotikaresistenten Bakterien zu schützen?  

Der Konsument bzw. die Konsumentin kann zuhause einige Massnahmen ergreifen, um sich vor antibiotikaresistenten Bakterien zu schützen. Dazu gehört insbesondere die Einhaltung von Hygienemassnahmen in der Küche, wie z. B. Händehygiene, der Wechsel oder die Zwischenreinigung von Schneidbrettern. Dadurch kann verhindert werden, dass antibiotikaresistente Bakterien über eine direkte oder indireke Kreuzkontamination von nicht genussfertigen Lebensmitteln (wie z. B. rohem Fleisch) auf genussfertige Lebensmittel übertragen werden. Auch müssen nicht genussfertige Lebensmittel richtig erhitzt werden. Zudem muss sich der Konsument und die Konsumentin aber bewusst sein, dass durch ihre Kaufentscheide die Produktion von Lebensmitteln, und wenn es um tierische Lebensmittel geht auch die Haltungsbedingungen der Tiere, mitbeeinflusst werden. Der Konsument/die Konsumentin muss bereit sein über den Preis des Lebensmittels Haltungsbedingungen zu unterstützen, die es ermöglichen, möglichst wenig kranke Tiere zu haben und damit wenig Antibiotika einsetzen zu müssen, weil viel in Prävention investiert wird. Wir als Konsumenten können auf der einen Seite nicht nur fordern, sondern sind auch mit in der Pflicht, Veränderungen über den Preis der Lebensmittel möglich zu machen.  Ein Trend, wie er in jüngsten Presseschlagzeilen à la „Preisschlacht um Billigfleisch“ sichtbar wird, geht in die völlig falsche Richtung! 

Werden wir in der Zukunft häufiger oder weniger über Antibiotikaresistenzen sprechen müssen? Wie sieht es in der Zukunft aus?  

Das Thema der Antibiotikaresistenzen wird uns nachhaltig beschäftigen. Die grosse Problematik ist mittlerweilen weltweit erkannt. In der Schweizer Landwirtschaft wurden in den vergangenen 10 Jahren auch massive Anstrengungen unternommen, um den Einsatz von Antibiotika deutlich zu reduzieren. Allerdings wissen wir auch, dass Antibiotikaresistenzen nicht einfach verschwinden und über weitere Faktoren, wie z.B. durch Co-Selektion von anderen Substanzen beeinflusst werden können. So können z.B. über Zink und Kupfer in Futtermitteln für Nutztiere auch antibiotikaresistente Bakterien selektioniert werden. Es handelt sich um ein komplexes Gebiet, bei dem man auch immer wieder neue Entdeckungen macht. Darum ist es ganz wichtig, dass man mit Nachdruck Massnahmen zur Reduktion der Selektion von antibiotikaresistenten Bakterien und auch deren weitere Verbreitung weiterverfolgt, und dies ganz im Sinne des One Health Konzepts: Alle ziehen am gleichen Strick und in die gleiche Richtung!   

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