Wenn es um das Einkommen von Landwirten geht, gibt es viele Vorurteile. "Die bekommen doch jede Menge Subventionen! (Direktzahlungen)" oder "Bio-Landwirte verdienen sich eine goldene Nase!", heisst es oft. Aber wie sieht die Realität wirklich aus? Ist die Landwirtschaft tatsächlich ein lukratives Geschäft – oder müssen viele hart kämpfen, um über die Runden zu kommen? Darüber sprechen wir heute mit Pablo Nett.
Herr Nett, viele Menschen glauben, dass Landwirte dank Direktzahlungen richtig gut verdienen. Wie viel Wahrheit steckt dahinter?
Zuerst sollten wir Direktzahlungen definieren. Viele meinen, das seien Subventionen, also finanzielle Beiträge an die Landwirtschaft ohne Gegenleistungen. Dem ist nicht so. Direktzahlungen waren ursprünglich Entschädigungen für von der Politik gesenkte Produktpreise, da die Politik die Lebensmittel für die Bevölkerung verbilligen wollte. Heute werden an die Ausrichtung von Direktzahlungen Bedingungen geknüpft, wie die Erfüllung des Ökologischen Leistungsnachweises (ÖLN), Förderungen der Biodiversität etc.
Gemäss Auswertungen der von Agroscope veröffentlichten Daten machen die Direktzahlungen im Durchschnitt 22.17% des Betriebsertrages aus, Tendenz sinkend. Talbetriebe liegen bei 15.89%, Betriebe in Hügelregionen bei 22.6% und Betriebe in der Bergregion bei 39.2%.
Können Sie mir das landwirtschaftliche Einkommen erklären – insbesondere wie viele Personen werden damit entlöhnt – welche Nebeneinnahmen oder -einkommen werden mit eingerechnet?
Das landwirtschaftliche Einkommen 2023 lag im Schweizer Durchschnitt bei Fr. 79'700.-. Davon leben 1.34 Familien-Arbeitskräfte, was einen Arbeitsverdienst von 54'800.- pro Familien-Arbeitskraft ausmacht. Zu berücksichtigen ist, dass von diesem Einkommen nicht nur die Lebenshaltungskosten, sondern auch die Rückzahlung von Schulden finanziert werden muss – oder besser gesagt müsste. Oft reicht es dafür nämlich nicht. Das führt dazu, dass viele Landwirte ausserhalb des Betriebes Arbeit suchen müssen. Der Anteil ausser-landwirtschaftliches Einkommen am Gesamteinkommen liegt bei 33%, Tendenz steigend.
Man hört oft: „Bio-Bauern sind reich – die verkaufen ihre Produkte ja viel teurer.“ Stimmt das?
Diese Aussage dürfte von der hohen Preisdifferenz der Produkte im Detailhandel stammen.
Zu beachten ist, dass Bio-Bauern höhere Auflagen bei der Produktion haben und dadurch einen höheren Aufwand und/oder Minderertrag. Dies wird durch einen höheren Produktpreis ausgeglichen. Dadurch erreicht ein Bio-Betrieb im Durchschnitt ein höheres Einkommen als ein konventioneller Betrieb. Der Unterschied ist aber bei weitem nicht so gross, wie man anhand der höheren Produktpreise im Detailhandel erwarten könnte.
Bei den Grossverteiler ist das Label «Bio» ein Margentreiber, d.h. Grossverteiler haben bei Bio-Produkten eine deutlich höhere Marge. Für sie ist Bio zudem ein sehr gutes Marketing-Instrument. Dem Bio-Produzenten nützt das aber wenig, da er anteilsmässig weniger vom Konsumentenfranken erhält und damit nur beschränkt von den höheren Margen profitieren kann.
Wenn man das Einkommen von Landwirten auf einen Stundenlohn umrechnet – übertrifft das einen Bürojob oder eher nicht?
Bei weiten nicht. Wenn wir den Verdienst pro Familien-Arbeitskraft durch die gearbeiteten Stunden rechnen, kommen wir auf einen Stundenlohn von durchschnittlich Fr. 20.10, also bei weitem weniger als bei ein Bürojob. Zudem ist der erreichte Stundenlohn je nach Betriebstyp und Region sehr unterschiedlich. Während Talbetriebe je nach Betriebstyp einen durchschnittlichen Stundenlohn (inkl. zu leistender Schuldenrückzahlung) zwischen Fr. 18.- und 33.- erreichen liegt die Spanne bei den Bergbetrieben zwischen Fr. 14.- und 18.-.
Der Grund liegt einerseits am tiefen Einkommen, das für mehrere Familienmitglieder reichen muss, andererseits an den Arbeitsstunden. Ein Angestellter in der Zürcher Landwirtschaft arbeitet heute 55 Stunden pro Woche, deutlich mehr als der durchschnittliche Angestellte. Gerade in der Tierhaltung arbeiten die Betriebsleiter selbst in der Regel noch deutlich mehr Stunden pro Woche, während für die Ferien oft nur Tage statt Wochen bleiben.
Welches sind die grössten Einflussfaktoren für das landwirtschaftliche Einkommen
Die Landwirtschaft ist von Lebewesen und vom Wetter abhängig. Tiere sind keine Maschinen und das Wetter lässt sich nicht beeinflussen. Das führt zwangsläufig zu schwankenden Erträgen, was sich direkt auf das Einkommen auswirkt.
Früher konnten Landwirte in guten Jahren Geld sparen, um in schlechten Jahren davon zu zehren, heute ist das in diversen Betriebszweigen nicht mehr möglich. Beispiel 2024: Die Getreideernte fiel auf ca. zwei Drittel im Vergleich zum langjährigen Schnitt, also ein Drittel weniger. Früher hätte das eine Hungersnot bewirkt, heute merkt der Konsument davon nichts, da die reiche Schweiz Ware importieren kann. Der Landwirt verliert aber einen Drittel seines Getreideertrags, obwohl er die gleichen Kosten hatte.
Die Landwirte haben grosse und meist neue Traktoren – ist das weil sie viel verdienen?
Es ist schon so, dass die Schweizer Landwirtschaft gut ausgerüstet ist. Aber es hat seine Gründe: die Betriebe sind gewachsen, heute hat ein Betrieb im Kanton Zürich im Durchschnitt 23.9ha LN, vor 25 Jahren lag der Durchschnitt bei etwa 15ha. Dadurch muss der Landwirt schlagkräftiger sein, um in der gleichen Zeit 60% mehr Fläche bewirtschaften zu können. Zudem sind viele auf einen Nebenerwerb angewiesen, was die Zeitfenster für die (wetterabhängigen) landwirtschaftlichen Arbeiten nochmals verkürzt. Und nicht zuletzt ist es der technische Fortschritt der Einzug hält. Die neuen Maschinen werden stets grösser/schlagkräftiger. Dadurch braucht es auch grössere/stärkere Traktoren, um diese Maschinen nutzen zu können.
Oft führt das dazu, dass Landwirte nicht mehr alle Maschinen kaufen können, sie können es sich nicht leisten. Deshalb gibt es immer mehr Lohnunternehmer, die grosse Maschinen kaufen können, aber sie müssen sie auslasten. Das führt dazu, dass diese öfter auf den Strassen zu sehen sind.