«Eine Portion Hülsenfrüchte (60g Trockengewicht) liefert rund 10g Nahrungsfasern. Das ist ein Drittel der täglich empfohlenen Menge,» sagt Stéphanie Bieler im Interview. Sie ist Fachexpertin Ernährung bei der Schweizerischen Gesellschaft für Ernährung SGE und erzählt, wie wichtig Hülsenfrüchte für die Ernährung sind, wie man mit Nahrungsmittelunverträglichkeiten umgeht und gibt kreative Rezeptideen.
Welches ist Ihre persönliche Lieblingshülsenfrucht?
Stéphanie Bieler: Die Beluga-Linse. Ich mag ihren Geschmack, den Biss und sie muss vor dem Kochen nicht eingeweicht werden.
Wie wichtig sind Hülsenfrüchte für unsere Ernährung?
Hülsenfrüchte sind sehr wertvolle Lebensmittel. Sie sind reich an Proteinen und Kohlenhydraten. Darüber hinaus enthalten sie Magnesium, Eisen, Kalium und Zink sowie B-Vitamine und Nahrungsfasern. Leider werden Sie in der Schweiz noch viel zu selten konsumiert.
Wie können sie in eine ausgewogene Ernährung integriert werden?
Die Schweizer Ernährungsempfehlungen, die im Herbst 2024 publiziert wurden, positionieren die Hülsenfrüchte deutlicher als die Vorgängerversion. In der Lebensmittelpyramide werden Lebensmittel aufgrund ihrer Nährstoffe zu bestimmten Gruppen zusammengefasst. Hülsenfrüchte werden ganz prominent als erstes der Gruppe «Hülsenfrüchte, Eier, Fleisch und Weitere» genannt. Sie zählen zur Gruppe der Proteinlieferanten und es wird explizit empfohlen, mindestens 1x wöchentlich Hülsenfrüchte zu konsumieren. Inspiration geben viele Rezepte im Internet: z.B. eine vegetarische Bolognese mit roten Linsen.
Wie hoch ist die Nährstoffdichte von Hülsenfrüchten?
Hülsenfrüchte enthalten wirklich viele wertvolle Inhaltsstoffe. Sie sind reich an Proteinen und Kohlenhydraten. Darüber hinaus enthalten sie Magnesium, Eisen, Kalium und Zink sowie B-Vitamine und Nahrungsfasern. Konkrete Daten finden Sie in der Schweizer Nährwertdatenbank: LINK
Warum sind Proteine so wichtig für unsere Ernährung?
Nahrungsproteine setzen sich aus verschiedenen Aminosäuren zusammen. Der Körper verwendet diese Aminosäuren, um körpereigene Proteine (u.a. für Muskeln, Hormone, Enzyme, Antikörper) aufzubauen. Es gibt 21 verschiedene Aminosäuren. Neun davon gelten als unentbehrlich (essenziell), weil sie vom Körper nicht synthetisiert werden können. Auf die Zufuhr dieser durch die Nahrung ist er unbedingt angewiesen.
Was ist der Unterschied zwischen pflanzlichen und tierischen Proteinen?
Während tierische Proteine reich an unentbehrlichen Aminosäuren sind, enthalten pflanzliche Proteine insgesamt weniger und haben oft eine limitierende Aminosäure. Lysin und Methionin sind die häufigsten limitierenden Aminosäuren in Pflanzenproteinen. Bei Hülsenfrüchten ist Methionin limitierend – ausser bei Soja. Das ist der grosse Sonderfall. Denn die Sojabohne (Tofu, Sojadrink etc.) enthält mehr Protein als andere Hülsenfrüchte und ist gleichzeitig reich an unentbehrlichen Aminosäuren. Dies ist bei einer ausgewogenen, abwechslungsreichen Ernährung nicht weiter problematisch. Werden verschiedene Proteinquellen verzehrt, kann eine limitierende Aminosäure des einen Lebensmittels durch ein anderes Lebensmittel zur Verfügung gestellt werden. Grundsätzlich muss man sich keine Gedanken über die Qualität der pflanzlichen Proteine machen, wenn auch tierische Proteine konsumiert werden. Werden nur selten oder keine tierischen Proteinquellen aufgenommen (z.B. bei einer veganen oder manchen vegetarischen Ernährungsformen), ist auf Abwechslung bei den pflanzlichen Proteinquellen zu achten und sicherzustellen, dass nicht alle dieselbe limitierende Aminosäure aufweisen.
Welche Missverständnisse über Hülsenfrüchte tauchen oft auf?
Ein häufiger Vorbehalt gegenüber Hülsenfrüchten ist sicherlich, dass sie blähen und aufwändig zum Kochen seien. Beides ist natürlich nicht ganz an den Haaren herbeigezogen. Aber Blähungen erübrigen sich in der Regel, sobald sich die Verdauung an die Hülsenfrüchte gewöhnt hat und für spontane Hülsenfrucht-Einsätze in der Küche kann auf Linsen (insbesondere kleine und geschälte) oder allenfalls auf bereits gekochte Hülsenfrüchte aus der Dose oder dem Glas zurückgegriffen werden.
Wie können Menschen, die an bestimmten Nahrungsmittelunverträglichkeiten oder Allergien leiden, Hülsenfrüchte sicher in ihre Ernährung einbeziehen?
Das kommt auf die Unverträglichkeit oder Allergie an. Wer eine Allergie gegenüber Sojaprotein hat, muss dieses selbstverständlich meiden. Auch Kreuzreaktionen sind denkbar. Wer hier unsicher ist, bespricht dies am besten mit dem behandelnden Arzt/der behandelnden Ärztin.
Hülsenfrüchte sind reich an sogenannten FODMAPs (fermentable oligo-, di-, monosaccharides and polyols). Wer darauf sensibel reagiert, sollte einen allfälligen Konsum von Hülsenfrüchten mit der behandelnden Ernährungsfachperson besprechen.
Welche kreativen Rezeptideen oder Zubereitungsmethoden empfehlen Sie, um Hülsenfrüche schmackhaft und abwechslungsreich zu gestalten?
Da gibt es unzählige Varianten! Im Sommer finde ich einen Linsen- oder Kichererbsensalat perfekt für jedes Picknick, das Salatbuffet oder das Mittagessen im Geschäft: Gekochte Hülsenfrüchte mit kleingeschnittenen Sommergemüsen und allenfalls etwas Käse (z.B. Feta) und einer feinen Salatsauce vermengen und voilà, das gut sättigende, ausgewogene Gericht ist fertig. Im Winter finde ich Linsensuppen (z.B. orientalisch gewürzt) wunderbar wärmend. Was immer funktioniert ist Hummus sowie andere Aufstriche/Dipps aus Hülsenfrüchten. Lassen Sie sich von verschiedenen Länderküchen inspirieren.