Das Bemalen von Ostereiern ist weit mehr als nur eine bunte Ostertradition – es ist ein Brauch mit jahrhundertealter Geschichte, tief verwurzelter Symbolik und erstaunlicher handwerklicher Vielfalt. In manchen Händen wird das Ei sogar zur Leinwand echter Kunst. Wir wollten mehr über diese faszinierende Kulturform erfahren und haben bei Susanne Müller, Öffentlichkeitsarbeit Stadt Wangen im Allgäu nachgefragt: Welche Techniken gibt es? Was bedeuten Farben und Muster? Und wie hat sich der Brauch über die Jahre entwickelt?
Frau Müller, welche Bedeutung hatte das Bemalen von Eiern ursprünglich, und wie hat sich dieser Brauch über die Jahrhunderte entwickelt?
Das Bemalen von Eiern zu Frühlingsfesten oder zur Geburt eines Kindes ist schon aus der Antike bekannt. Damals wurden Eier rot gefärbt. Wenn die Personen starb, gab man ihr das Ei als Grabbeigabe mit. Seit dem Mittelalter färben die Menschen Eier, um sie zu kennzeichnen. Weil während der Fastenzeit nach altem Brauch keine Eier gegessen werden durften, wurden die gelegten Eier gekocht und eingefärbt. So konnte sie von den frischen Eiern unterschieden werden. Da die Bauern um Ostern herum ihren Pachtzins zahlen mussten, gaben sie dafür oft gekochte Eier an ihren Lehensherrn. Die eigenen Eier bemalten sie und liessen sie in der Kirche segnen. In einigen Gemeinden in Südtirol gibt es diesen Brauch auch noch. Dort bringen junge Männer selber bemalte Eier in die Kirche und übergeben sie nach der Segnung an ihre Auserwählte.
Welche traditionellen Techniken zur Verzierung von Ostereiern gibt es, und welche Rolle spielt dabei handwerkliches Können und künstlerischer Ausdruck?
Ursprünglich wurden Ostereier bemalt. Waren die Eier in der Anfangszeit einfarbig, so spielte handwerkliches Können eine immer grössere Rolle und wurde vor allem in den Klöstern entwickelt. Bis heute werden in den Klöstern, aber auch von Künstlern ausserhalb, die alten Muster gepflegt und weitergeführt. In Osteuropa wurde und wird traditionell sowohl mit Gold für Ikoneneier als auch mit Batiktechnik in unterschiedlicher Ausprägung gearbeitet.

Farben spielen beim Osterei eine zentrale Rolle – gibt es bestimmte Farbsymbole oder traditionelle Farbverwendungen in verschiedenen Regionen oder Kulturen?
Die klassische Farbe für Ostereier ist rot. Sie steht für das vergossene Blut Christi. Rot steht aber auch für neu aufblühendes Leben und die Liebe. Häufig wird Weiss mit dem Rot kombiniert, denn Weiss ist die liturgische Farbe des Osterfestes.

Wie unterscheidet sich ein kunstvoll gestaltetes Osterei von einem rein dekorativen – und wann wird ein Osterei zur Kunst?
Kunst am Ei besticht durch ihre Einmaligkeit. Das heisst, in erster Linie wird ein dekoratives Ei dann zum Kunstwerk, wenn es mit einer aussergewöhnlichen Technik und hoher Kunstfertigkeit gearbeitet ist.
Welche bemalten Ostereier oder Sammlungsstücke im Museum sind besonders aussergewöhnlich – sei es durch Technik, Geschichte oder Symbolik?
lle unsere Eier sind aussergewöhnlich! Es liegt immer auch im Auge des Betrachters zu entscheiden, welches besonders hervorsticht. Denn Sie finden dort bemalte Eier mit traditioneller Bauernmalerei ebenso, wie «Bandleier», aus denen buchstäblich Bänder mit aufgemalten Geschichten hervorkommen. Manche Eier sind sehr neu und modern gestaltet, zum Beispiel jene, die mit Augenzwinkern als Personen daherkommen. Diese Eier haben sich quasi schick in Schale geworfen. Zu den absoluten Highlights gehört neben den grossartigen Ikoneneiern ein Karussell aus einem Straussenei. Es kann sogar bewegt werden.

